Experten diskutierten neue Entwicklungen in der Mikrobiologie und Krankenhaushygiene
Ulm. Spannende Diskussionen zu aktuellen
Themen der mikrobiologischen Forschung und Diagnostik gab es bei der 68.
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie
(DGHM) e. V. in Ulm. Vom 11. bis 14. September 2016 diskutierten
führende nationale und internationale Wissenschaftler und Ärzte beim
deutschlandweit größten Fachkongress in diesem Bereich neueste
Erkenntnisse aus allen Bereichen der Mikrobiologie, Krankenhaushygiene
und Infektionskrankheiten.
Entsprechend dem vielfältigen wissenschaftlichen
Programm präsentierten renommierte Experten und Nachwuchswissenschaftler
aktuelle Forschungsergebnisse zur Diagnose, Prophylaxe und Therapie bei
Infektionserkrankungen. „Vor allem in zwei aktuellen Themenkomplexen,
der Entwicklung und klinischen Testung neuer Impfstoffe und der
Diagnostik und dem Management von multiresistenten Keimen in
Krankenhäusern, konnten wir die wissenschaftliche Diskussion fördern“,
so Kongresspräsident Prof. Dr. med. Steffen Stenger, Medizinische
Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum Ulm.
Tagungsschwerpunkt Krankenhaushygiene
Beim Tagungsschwerpunkt Krankenhaushygiene /
multiresistente gramnegative Bakterien ging es um neue Strategien zur
Verhinderung der Ausbreitung dieser Erreger in Krankenhäusern. Es wurden
kritische Diskussionen über das notwendige Ausmaß von teuren und
belastenden Isolierungsmaßnahmen von besiedelten Patienten geführt..
„Bei der Diagnostik von mutliresistenten Keimen wurde insbesondere über
Fortschritte in der molekularbiologischen Diagnostik berichtet“, betont
Prof. Steffen Stenger. Erste Ergebnisse zu innovativen Therapien wurden
anhand von Erfahrungsberichten über den Einsatz neuer Antibiotika,
Antikörper und antimikrobieller Peptide vorgestellt. „Die Entwicklung
antimikrobieller Peptide für den therapeutischen Einsatz steht zwar erst
am Anfang, stellt aber eine vielversprechende Alternative zu
klassischen Antibiotika dar“, so der Tagungspräsident. „ Auch die
Therapie mit Bakteriophagen stellt eine - wenn auch umstrittene -
Alternative dar
, die bei der DGHM Tagung kritisch diskutiert wurde.“
Auf neu entwickelte Konzepten zur Verhinderung der
Ausbreitung der multiresistenten Erreger im Krankenhaus und kontroverse
Diskussionen zum Stellenwert der Screening Untersuchungen bei Patienten
vor der stationären Aufnahme in ein Krankenhaus verwies der Präsident
der DGHM Prof. Dr. med. Mathias Herrmann, Münster: „Was in Holland seit
Ende der 80er Jahre durchgeführt wird, ist auf die heutige Situation in
deutschen Kliniken nicht übertragbar. Es gibt inzwischen jede Menge neue
Erkenntnisse, nicht nur beim MRSA-Erreger, da werden doch einige Zahlen
geradegerückt und insgesamt sind wir in der Krankenhaushygiene gut
aufgestellt!“
Tagungsschwerpunkt Entwicklung neuer Impfstoffe
Zum thematischen Schwerpunkt der Entwicklung neuer Impfstoffen wurden Fortschritte beim
empfohlenen Impfschutz für die verschiedenen Stämme von
Meningokokken, Erreger von lebensbedrohlichen Hirnhautentzündungen,
vorgestellt. Eine Ansteckung mit Meningokokken bei Kindern und
Jugendlichen ist eine zwar seltene, aber gefürchtete Infektion, bei der
jeder zehnte Erkrankte stirbt. Die gefährliche bakterielle Infektion
kann so rasant ablaufen, dass sie innerhalb weniger Stunden zum Tod
führt. „Die Entwicklung von Impfstoffen, die gegen den häufigen
Meningokokken Serotyp B gerichtet sind, stellte über lange Zeit eine
kaum lösbare Herausforderung dar. Mittlerweile ist es dank innovativer
Grundlagenforschung geglückt, einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln,
deren in verschiedenen Ländern bereits erfolgreich eingesetzt wird“, so
Prof. Dr. Ulrich Vogel, vom Nationalen Referenzzentrum für Meningokokken
in Würzburg.
Über die neuesten Forschungsergebnisse zu dem neuen
Impfstoff gegen die bakterielle Hirnhautentzündung berichtete die
Italienerin Dr. Mariagrazia Pizza als eine der Pionierin, die maßgeblich
an der neuen Impfstoffentwicklung beteiligt war. In England wird seit
Ende 2015 einer der Impfstoffe flächendeckend zur Grundimmunisierung von
Kleinkindern eingesetzt, während in Deutschland die Empfehlung des
Serogruppe B Impfstoffes derzeit auf Patienten mit einem besonderen
gesundheitlichen Risiko einer Meningokokkeninfektion beschränkt ist.
Aktuelles Thema Infektionen bei Flüchtlingen
Zum aktuellen Thema Infektionen bei Flüchtlingen
stellte Dr. med. Martin Priwitzer, Gesundheitsamt Stuttgart, die
neuesten Zahlen vor, da die Zuwanderung von Flüchtlingen in der
klinischen und diagnostischen Infektiologie im letzten Jahr eine
besondere Rolle gespielt hat. Demnach konnten Konzepte einer intensiven
Zusammenarbeit zwischen öffentlichem Gesundheitswesen, klinischen
Infektiologen sowie Mikrobiologen und Krankenhaushygienikern entwickelt
werden, um die Zunahme von ansteckenden Erkrankungen wie bakterielle
Ruhr, Windpocken und insbesondere der Tuberkulose rasch zu
diagnostizieren und durch prophylaktische Maßnahmen eine Ausbreitung der
Infektionen zu verhindern.
In den Hauptsymposien stellten international
hochrangige Wissenschaftler weitere neue Erkenntnisse zu den Themen
Epidemiologie von Durchfallerkrankungen, neu-auftretende
Infektionserkrankungen sowie aus der mikrobiologischen
Grundlagenforschung vor. Ein weiterer Fokus lag auf dem Bereich
Lebensmittelmikrobiologie mit neuen Erkenntnissen zu pathogenen
Mikroorganismen in Lebensmitteln, Standardwerten für die mikrobielle
Kontamination in Lebensmitteln sowie Aspekten der allgemeinen
Nahrungsmittelmikrobiologie und Lebensmittelhygiene.
Workshops zu den Themen Diagnostische Mikrobiologie,
Klinische Mikrobiologie und Infektions-krankheiten, Mikrobielle
Pathogenität, Magen-Darm-Infektionen, Sepsis, Infektionsepidemiologie
und Bevölkerungsgenetik, Infektionsprävention und Antibiotikaresistenz,
Infektionsimmunologie, Mikrobiologische Verfahren und
Qualitätsstandards, Nationale Referenzzentren und Beratungslabore sowie
Zoonosen waren sehr gut besucht. Neben dem wissenschaftlichen Austausch
fanden Diskussionsrunden, Posterpräsentationen und weitere
praxisorientierte Workshops mit Fortbildungen aus dem diagnostischen
Bereich für niedergelassene Ärzte und Technische Assistenten statt. Die
viertägige Tagung wurde von einer fachbezogenen Industrieausstellung
begleitet, in der innovative Entwicklung vor allem aus dem Bereich der
mikrobiologischen Diagnostik vorgestellt wurden. Insgesamt war die von
über 650 Teinehmern besuchte Jahrestagung der DGHM in der Ulmer
Donauhalle eine hervorragende Plattfo
rm für den wissenschaftlichen Austausch zwischen Experten,
Nachwuchswissenschaftlern und der Industrie. Die Resonanz der Teilnehmer
über die bestens organisierte tagung war entsprechend positiv. Weitere
Informationen unter
www.dghm-kongress.de.
DGHM Preisverleihungen 2016
Der Hauptpreis der DGHM-Stiftung (5000 EUR) wurde in
diesem Jahr an Prof. Dr. rer. nat. Stefan Niemann (Forschungszentrum
Borstel) verliehen, einer der weltweit führenden Forscher im Bereich
Populationsgenetik von Tuberkulosebakterien.
Mit dem DGHM-Förderpreis 2016 (2500 EUR) wurde Dr. rer.
nat. Sascha Brunke ausgezeichnet, der aktuell mikrobielle
Nährstoffquellen während der Infektion und die evolutionäre Adaptation
von Pathogenen an ihre Wirte erforscht.
Der bioMérieuxDiagnostikpreis (2500 EUR) ging in diesem
Jahr an Dr. med. Evgeny A. Idelevich, der die Entwicklung und weitere
Optimierung von Methoden zur schnellen Empfindlichkeitstestung und
Identifikation der Mikroorganismen untersucht.
Der Becton Dickinson Forschungspreis (2500 EUR) wurde Dr. med. Axel Hamprecht verliehen.
dessen Forschungsschwerpunkte auf der Resistenz bei
Enterobacteriaceae durch ß-Laktamasen sowie auf den Resistenzmechanismen
bei humanpathogenen Pilzen liegen.
Die DGHM-Promotionspreise gingen an:
1. Dr. med. vet. Katharina Anna Christina Schaufler, die
eine Dissertation zum Thema “Functional plasmidanalysis of
extended-spectrum beta-lactamase-producing Escherichia coli of sequence
types ST131 and ST648”, begann und parallel dazu eine zweite Promotion
zum Dr. med. vet. mit dem Thema “Molecular analysis of ESBL-producing
Escherichia coli from different habitats discloses insights into
phylogeny, clonal relationships and transmission scenarios” mit der
Bestnote „summa cum laude“ abschloss.
2. Dr. rer. nat. Jan Naujoks, der im Rahmen seiner
Dissertation mit dem Titel: „Typ I und II IFNs modify the proteome of
bacterial vacuoles to restrict infections via IRG1“ systematisch die
Immunantwort gegen Legionella pneumophila im Pneumonie-Tiermodell
untersuchte.
3. Dr. rer. nat. Sandy Ramona Pernitzsch, die in ihrer
Dissertation mit dem Titel: „Funktionelle Charakterisierung von kleinen
regulatorischen RNAs (sRNAs) in Helicobacter pylori“ zeigen konnte, dass
die RepG sRNA bis zu 40 weitere Gene verschiedenster Funktionen durch
die Bindung an G-reiche Sequenzen reguliert.
Die DZIF-Promotionspreise der DGHM wurden überreicht an:
1. Dr. rer. nat. Wiekbe Behrens, die in ihrer
Dissertation mit dem Titel: „Characterisation of mechanisms mediating
energy taxis of Helicobacter pylori in vitro and in vivo“ zeigen konnte,
dass ein beteiligter Energiesensor (TlpD in Helicobacter pylori) mit
zahlreichen anderen Proteinen, unter anderem solchen, die am
Metabolismus beteiligt sind, interagiert. Ebenfalls konnte sie
dynamische intrazelluläre Prozesse in Verbindung mit diesen
Interaktionen, intrazellulärer Energiegewinnung und Energiewahrnehmung
sichtbar machen und einen möglichen Mechanismus aus
Eisen-Schwefelproteine des zentralen Metabolismus hin einengen.
2. Dr. rer. nat Alexander Westermann, der sich in seiner
Promotion der Etablierung eines neuen Ansatzes zur parallelen Erfassung
von Transkriptomveränderungen in einem bakteriellen Erreger und einer
von diesem infizierten eukaryotischen Wirtszelle mittels dualer
Sequenzierung widmet.
Die diesjährige DGHM-Lecture hielt Prof. Dr. Dr. Klaus
Aktories (Freiburg) mit dem Titel „Bacterial toxins - How to outsmart
the host“. Er wurde für seine international hochangesehen Forschungen
geehrt, die zum wesentlichen Verständnis der Wirkweise von bakteriellen
Proteintoxine beträgt.
Ausblick “Microbiology and Infection 2017”
Die 69. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für
Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) wird gemeinsam mit der Jahrestagung
der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) als
“Microbiology and Infection 2017” vom 5. bis 8. März in Würzburg
stattfinden. Kongresspräsidenten sind Prof. Dr. Matthias Frosch, Prof.
Dr. Thomas Rudel und Prof. Dr. Jörg Vogel. Weiteres unter
www.microbiology-infection.de.
Pressekontakt:
Kerstin Aldenhoff